
Türkis aus jeder Richtung
Perspektivenwechsel am Lünersee
Wer einmal auf 1.970 Metern Höhe aus der Gondel der Lünerseebahn gestiegen ist, der weiß: der Lünersee wird nicht umsonst als „türkisblaue Perle des Rätikons“ umschrieben. An manchen Tagen erinnert er mit seiner intensiven Farbpracht fast an die Südsee, nur dass sich anstelle von Palmen das beeindruckende Alpenpanorama in ihm spiegelt. An anderen Tagen, wenn der Wind seine Oberfläche kräuselt, schimmert er milchig wie das Mineral Türkis selbst. Beim Betrachten dieser außergewöhnlichen Farbenpracht, stellt sich mir eine Frage: Ändert sich die Farbe des Sees je nach Blickwinkel?
Mit unserer ersten Wanderung um den See beginnen wir das Geheimnis zu lüften. Der Rundweg ist leicht und familienfreundlich, mit malerischen Ausblicken auf den Stausee und die umliegenden Berge. Besonders lohnend ist eine Einkehr auf der Alpe Lünersee, wo neugierige Ziegen auf Streicheleinheiten warten und das Raclette-Brot eine fast unwiderstehliche Stärkung bietet.
Doch damit ist unsere Suche nach der Antwort nicht beendet. Es gibt noch weitere Perspektiven, die wir erkunden wollen. Also geht es hinauf zur Schesaplana, der Königin des Rätikons mit ihren 2.965 Metern Höhe. Der Aufstieg ist anspruchsvoll, aber lohnend und in etwa drei Stunden ist der Gipfel erreicht. Vorbei an der Totalphütte (kulinarischer Tipp: die Topfenlasagne ist ein Gedicht) führt der Weg über felsiges Terrain, während uns der Lünersee immer wieder in seiner strahlenden Farbe begleitet – auch wenn er mit zunehmender Höhe kleiner wird. Oben angekommen, bleibt die Erkenntnis: Strahlendes Türkis. Unverändert.
Erfüllt vom Gipfelglück und erschöpft von den erwanderten Höhenmetern beziehen wir nach der Rückkehr von der Schesaplana unsere Zimmer in der Douglass Hütte direkt am Ufer des Lünersees. Nach einer erholsamen Nacht ist mein Blick in der Früh vom glitzernden Spiel der Morgensonne auf dem Wasser gebannt. Ein Naturschauspiel, das man stundenlang verfolgen könnte.
Die heutige Tour führt uns zum Schweizer Tor. Wird uns der Lünersee auch aus dieser Perspektive türkis anstrahlen? Der Weg schlängelt sich erst entlang des östlichen Ufers, dann hinauf zum Verajoch. Die Farbe, die von hier nur etwas bläulicher scheint, ändert sich nicht wirklich. Wir setzen unsere Tour ins Montafon zur Lindauerhütte fort und lassen den Tag mit einer gemütlichen Rückfahrt von Latschau nach Brand ausklingen. Mit der letzten Gondel schweben wir erneut hoch zum Lünersee und genau wie beim ersten Mal erfreue ich mich an seiner leuchtenden Farbe.
Nach einer weiteren Übernachtung in der Douglass Hütte brechen wir am nächsten Tag zu unserem letzten Blickwinkel auf. Wer auf die Gamsluggen möchte, der muss früh aufstehen, denn der Weg ist anspruchsvoll. Ein gut gesicherter, aber anstrengender Steig liegt vor uns. Es weht ein leichter Wind, der See wirkt milchig aber immer noch türkis. Oben angekommen, bietet sich ein bezaubernder Anblick. Vor uns liegt das türkise Herz des Rätikongebirges! Die einmalige Herzform bietet sich ausschließlich aus dieser Perspektive und entlohnt den anstrengenden Aufstieg zur Gamsluggen allemal.
Nach diesen eindrucksvollen Tagen steht fest, dass der Lünersee mehr ist als nur ein alpiner See. Er ist der „Türkis“ des Rätikons – ein Naturjuwel, das aus jedem Blickwinkel neue Facetten offenbart.